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Unterricht planen und gestalten

Eine exakte Erhebung der individuellen „Lernausgangslage“ hilft der Lehrkraft dabei, den individuellen Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Hierzu ist es wichtig, differenzierte Informationen zu individuellen Stärken und Schwächen zu erfassen sowie soziale und personale Faktoren in die Betrachtung mit einfließen zu lassen. Somit kann die Förderung dort ansetzen, wo die individuellen Ressourcen liegen.

Gerade im Autismus-Spektrum ist es sehr wichtig, auf die Besonderheiten der Lernenden einzugehen, weshalb jede Konkretisierung als ein Vorschlag verstanden werden soll, der nicht zwingend für die Person aus dem Autismus-Spektrum anwendbar ist.

Eine Rücksprache mit dem MSD-A sowie der betroffenen Person bzw. deren Eltern ist in jedem Fall sinnvoll.

Absprachen im Klassenteam

Die geplanten Fördermaßnahmen werden in einer Klassenkonferenz besprochen sowie deren Umsetzung vorbereitet. Oft wird eine Lehrkraft als Bezugsperson innerhalb des Klassenteams bestimmt.

Dabei müssen die Aufgaben dieser Bezugsperson und der weiteren in dieser Klasse unterrichtenden Lehrkräfte klar definiert und kommuniziert werden.

Exemplarisch sind folgende Punkte zu klären und zu kommunizieren:

  • freie Partnerwahl bei Gruppen- oder Partnerarbeiten oder feste Zuteilung
  • Sitzplatz
  • Möglichkeiten zur Auszeit mit vereinbarten Handzeichen oder Signalkarten
  • Unterstützende aus dem Kreis der Mitschülerinnen und Mitschüler
  • Überprüfung der Eintragung von Terminen und Hausaufgaben in den Terminplaner
  • Kontakt mit Erziehungsberechtigten
  • Einzelunterricht oder Förderung in Kleingruppe
  • Verbalisierung (z. B. Vermeidung von Ironie und Mehrdeutigkeiten, Klarheit, Kürze)
  • Textoptimierung und Strukturierung (z. B. von Prüfungsinhalten)

Absprachen mit einer Schulbegleitung

Manche Jugendliche aus dem Autismus-Spektrum erhalten erst durch eine Schulbegleitung die Möglichkeit einer angemessenen Schulbildung.

 

Die Schulbegleitung kann dabei

  • die Kommunikation unterstützen,
  • notwendige Anpassungsleistungen begleiten,
  • einen ggf. erhöhten Betreuungsaufwand erfüllen.

 

Vertiefende Informationen über die Gelingensfaktoren für eine Schulbegleitung finden sich im MSD Autismus Infobrief A5. 

Aus der Unterrichtspraxis

Weitere Planungs- und Gestaltungsmöglichkeiten aus der Unterrichtspraxis finden Sie unter dem Reiter Good-Practice.

Ansatzpunkte schulischer Förderung

Sicherheit und Schutz

Menschen aus dem Autismus-Spektrum leiden an Wahrnehmungsstörungen. Das führt in sozialen Situationen oft zu Überforderung. Entlastung bringen konstante Bezugspersonen (in der Klasse bzw. bei den Lehrkräften).

Unterstützung bei der Handlungsplanung

Bei Autismus sind Verhaltensplanung, -steuerung und -kontrolle oft eingeschränkt. Betroffene profitieren deshalb unter Umständen von Orientierungshilfen aus dem Umfeld.

Die Welt erklären

Menschen mit Autismus sind häufig in einem Detaildenken verhaftet, interpretieren Dinge oft absolut buchstäblich. Dadurch sind sie nur schlecht in der Lage, einen Kontext oder übergreifende Bedeutungen zu erfassen. Sie sind deshalb oft auf eine gemeinsame Reflexion über soziale Situationen des Tages – z. B. durch die Lehrkräfte - angewiesen.

Bedürfnis nach zwischenmenschlichen Beziehungen

Jugendliche aus dem Autismus-Spektrum zeigen oft ein Rückzugsverhalten, eventuell ist ihre Gestik und Mimik eingeschränkt, der Blickkontakt fällt ihnen häufig ebenfalls schwer. Ihnen fehlt zudem zumeist ein Gefühl für sprachliche Feinheiten („zwischen den Zeilen lesen können“ oder Ironie verstehen).

Trotzdem kennen auch sie das Bedürfnis nach sozialen Kontakten.

Teilhabe

Auch die (aktive) Teilhabe an einer Gemeinschaft gehört für Menschen aus dem Autismus-Spektrum zu den unmittelbaren Grundbedürfnissen, wenngleich es ihnen schwer fällt, sich auf große Nähe einzulassen. Ein zufriedenstellendes soziales Miteinander drückt sich dabei häufig weniger ein einem fortlaufenden gemeinsamen Tun, sondern eher in einem guten Nebeneinander aus.

Zur genaueren und vertiefenden Beschreibung der Kernsymptome und der Klassifikation ist ein Blick auf den MSD Autismus Infobrief A1 empfehlenswert.

 

 

Wirkungsvolle Unterstützungsmaßnahmen

 

Oft wird die Autismus-Spektrum-Störung in drei Erscheinungsformen unterteilt. Hierbei werden jeweils die Besonderheiten zum Versuch der Abgrenzung herausgestellt, die Grenzen sind jedoch teilweise fließend („Spektrum“). Es findet im Moment ein Umbruch im Hinblick auf solche Klassifikationen bzw. Systematisierungen statt. Betont wird nun das Spektrum im Sinne eines Kontinuums.

 

Eindeutige Einordnungen sind oft nicht zweckdienlich. Die Ausprägungen der ASS-Besonderheiten sind oft sehr individuell. Dem soll Rechnung getragen werden.

Die folgenden Ausführungen sind an den MSD Autismus Infobrief A3  angelehnt, der den Fokus auf Lernende mit Asperger-Syndrom legt, die im beruflichen Schulwesen einen hohen Anteil der Schülerschaft aus dem Autismus-Spektrum stellen.

 

Unterstützungsmaßnahmen

schülerbezogene Strategien

klassenbezogene Strategien

  • Balance zwischen verstehender Zuwendung und Führung
  • Strukturgebung/ Ritualisierung
  • Förderung der Selbstaufmerksamkeit
  • Motivation
  • Stärkung der Klassenbindung innerhalb der Gruppe
  • Autismus in der Klasse zum Thema machen
  • intensive Beobachtungen der sozialen Beziehungen

 

Balance zwischen „verstehender Zuwendung“ und „Führung“

Eine gute pädagogische Position der Lehrkraft im Umgang mit Jugendlichen mit Asperger-Syndrom besteht in einer Balance zwischen verstehender Zuwendung und Führung.

Dabei richtet sich eine wichtige Facette der verstehenden Zuwendung auf das Anbieten von Erklärungen für die Welt. Diese sollten in einfachen Worten und kurzen Sätzen geschehen, da wegen der Detailorientierung der Wahrnehmung leicht der Gesamtzusammenhang verloren gehen kann.

Strukturgebung / Ritualisierung

Durch Struktur und Ritual werden den Jugendlichen mit Asperger-Syndrom Verlässlichkeit und Sicherheit geboten.

Förderung der Selbstaufmerksamkeit

Die Selbstaufmerksamkeit lenkt den Blick auf die eigene Person und trägt dazu bei, sich selbst beobachten und regulieren zu lernen. Das Ziel liegt in der Entwicklung von Selbstkontrolle.

Maßnahmen, um Selbstaufmerksamkeit zu fördern und Selbstkontrolle zu entwickeln sind:

  • reflektierende Gespräche: bspw. nach einer Situation, in der die Schülerin bzw. der Schüler aggressiv wurde. Dabei sollten solche Gespräche ruhig, einfach und sachlich ablaufen (vgl. auch Erklärung der Welt)
  • Strategien zur Selbstberuhigung und Möglichkeiten der Situationsentfernung zu besprechen
  • Belohnungen für eine gelungene Selbstbeherrschung zu vergeben
  • die Balance zwischen selbstaufmerksamen Elementen und Selbstaufmerksamkeit zerstreuenden Elementen (z.B. Auszeit, Humor, Spiel, Sport, Spezialinteressen) zu finden

Motivation

Lernende mit Asperger-Syndrom haben oft Spezialinteressen.

Da Fernziele wie z. B. gute Prüfungsergebnisse oder berufliche Aussichten oft keine motivationale Wirkung entfalten, sind Vorgehensweisen notwendig, die sich mehr im zeitlichen Hier und Jetzt bewegen.

So sind Schülerinnen und Schüler unter Umständen deutlich motivierter, wenn mit ihnen zuvor eindeutig über Beginn, Dauer und Ende einer Arbeitsaufgabe gesprochen wurde.

Stärkung der Klassenbinnenbindung

Ein lernförderliches Unterrichtsklima zeichnet sich durch einen freundlichen Umgangston, wechselseitigen Respekt, Herzlichkeit, Wärme, eine entspannte Atmosphäre, einer gewissen Toleranz gegenüber Langsamkeit (angemessene Wartezeit auf Antworten) sowie einen konstruktiver Umgang mit Fehlern aus. Die Lehrkraft wirkt als Vorbild wie mit den persönlichen Eigenheiten eines jeden Anwesenden umgegangen wird.

Autismus in der Klasse zum Thema machen

Eine offene, sachliche Information und Auseinandersetzung baut der Gefahr vor, dass sich fehlgeleitete Einstellungen zum Autismus verfestigen. Deshalb kann es – besonders im Jugendalter – grundsätzlich sinnvoll sein, in der Klasse die Frage „Was ist Autismus?“ explizit zu thematisieren. Eine vorherige Rücksprache mit der betroffenen Schülerin bzw. den betroffenen Schüler ist unbedingt notwendig.

Wie die Aufklärung der Mitschülerinnen und Mitschüler über Autismus konkret ablaufen kann, wird im MSD Autismus Infobrief A9 thematisiert.

Intensive Beobachtung der sozialen Beziehungen innerhalb der Gruppe

Jugendliche mit Asperger-Syndrom nehmen oft eine extreme Außenseiter-Position ein. Um Ausgrenzung und ggf. Mobbing besser erkennen und Gegenmaßnahmen frühzeitig einleiten zu können, sollte die Sozialstruktur der Klasse also entsprechend beobachtet werden.

Leitgedanken zur Beobachtung könnten sein:

  • In welcher Weise suchen und gewähren die Lernenden sich untereinander Hilfe?
  • Wie und mit wem kooperieren sie?
  • Wann treten Konkurrenzsituationen auf? Wie wird damit von jedem einzelnen umgegangen?
  • Mit welchem Verhalten (z. B.  Angeberei oder Abwertungen anderer) wird das Bedürfnis nach Anerkennung von den Lernenden umgesetzt?

Weiterführende Informationen