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Erscheinungsformen

„Die individuellen Förderbedürfnisse von Schülerinnen und Schülern erstrecken sich vor allem auf die Entwicklungsbereiche Emotionen und soziales Handeln sowie Motorik und Wahrnehmung, Denken und Lernstrategien und Kommunikation und Spra­che.“

(LehrplanPLUS für den Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, S. 10)

Die hier dargestellten Erscheinungsformen stellen eine exemplarische Auswahl zur Verdeutlichung dar, die je nach Schülerin oder Schüler natürlich nicht vollumfänglich und nicht in gleichem Ausmaß auftreten, sondern individuell recht unterschiedlich ausgeprägt sein können.

In der folgenden Übersicht werden daher nur mögliche Erscheinungsformen von emotional-sozialen Beeinträchtigungen in den angesprochenen Entwicklungsbereichen dargestellt. Sie können als erste Orientierung zur Einschätzung eines vermuteten Förderbedarfs esE dienen.

Im Sinne einer ressourcenorientierten Förderdiagnostik geht es daher nicht darum, den Fokus ausschließlich auf Auffälligkeiten zu richten. Vielmehr müssen bei der Beobachtung auch Stärken, Interessen und Entwicklungspotenziale wahrgenommen werden, die als Basis für die Gestaltung von kompetenzorientiertem Unterricht dienen.

 

Kommunikation und Sprache

  • geringe Gesprächsbereitschaft
  • überhöhtes Sprechtempo
  • ausufernder Redefluss, meist mit sprunghaftem Themenwechsel und häufigen Wiederholungen
  • beeinträchtigtes Sprachgedächtnis
  • altersinadäquates Sprachverständnis
  • häufige Verwendung von Vulgärsprache
  • eingeschränkter aktiver und passiver Wortschatz
  • phonematische Differenzierungsschwäche (Herausfiltern von Sprechlauten aus dem Redestrom, die klangähnlich, aber bedeutungsunterscheidend sind wie Kragen – tragen)

Denken und Lernstrategien

  • häufig allgemeine Entwicklungsrückstände
  • reduzierte Belastbarkeit, oft rasche Ermüdung erkennbar
  • große Schwankungen in der Leistungsbereitschaft, im Arbeitstempo und Durchhaltevermögen, je nach Interessenlage
  • Beeinträchtigungen in der schulischen Leistungsfähigkeit durch intensive Beschäftigung mit außerunterrichtlichen Geschehnissen wie z. B. familiäre Konflikte, Probleme von Mitschülerinnen und Mitschülern
  • Denken/Kognition sind häufig nicht durch eine herabgesetzte intellektuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, sondern durch emotional-soziale Störungen
    • schwierige Abgrenzung zum Förderschwerpunkt Lernen
  • oft Einschränkungen durch Teilleistungsstörungen wie z. B. kurze Aufmerksamkeitsspanne/hohe Ablenkbarkeit wegen AD(H)S
  • stark herabgesetzte Leistungsbereitschaft bis hin zur Leistungsverweigerung
  • hohe Misserfolgsorientierung, schnelles Resignieren/Aufgeben bei fordernden Aufgaben
  • Vermeidungslernen („Aus dem Weg gehen“ unangenehmer Situationen z. B. durch häufige Toilettengänge)
  • oft planlose, nur oberflächliche Aufgabenbearbeitung mit vielen Flüchtigkeitsfehlern
  • Probleme bei der zielgerichteten, logischen Bearbeitung von Handlungsaufträgen
  • vermindertes Instruktionsverständnis

Motorik und Wahrnehmung

  • Auffälligkeiten in der Grob- und Feinmotorik wie z. B. Tollpatschigkeit, ungelenkes Schriftbild, ungeschickter Umgang mit Arbeitsmitteln, verlangsamtes Schreiben
  • Bewegungsdrang extrem ausgeprägt (Hypermotorik) oder stark vermindert (Hypomotorik)
  • eingeschränkte Nahsinne (Tast-, Bewegungs-, Geschmacks-, Gleichgewichtssinn) und Fernsinne (Geruchs-, Hör-, Sehsinn)
  • Beeinträchtigungen in der visuellen und auditiven Differenzierungsfähigkeit (z. B. Erkennen von Details in einer komplexen Struktur, Ordnen von Bildern / Erklärungen in einen sinnvollen Ablauf, Zusammenziehen von Silben zu einem Wort, Unterscheidung von Gehörtem aufgrund der melodischen Struktur)
  • phonematische Differenzierungsschwäche (Herausfiltern von Sprechlauten aus dem Redestrom, die klangähnlich, aber bedeutungsunterscheidend sind wie Ohr – Uhr)

Emotionen und soziales Handeln

  • niedriges Selbstwertgefühl/Selbstvertrauen, hohe Selbstunsicherheit
  • unrealistische Selbst-/Fremdwahrnehmung
  • oft Angst-, Schlafstörungen, psychische/psychosomatische Beschwerden (z. B. Kopfschmerzen)
  • hohe Beeinflussbarkeit durch andere, dadurch Gefährdung für Substanzmissbrauch, Delinquenz
  • Bindungsprobleme, hohes Misstrauen gegenüber anderen
  • emotional instabil, starke Stimmungsschwankungen, rasche Erregbarkeit, unzureichende Affektkontrolle, evtl. Vandalismus
  • hohe Ich-Bezogenheit v. a. den eigenen Standpunkt ohne Berücksichtigung der Belange anderer um jeden Preis durchsetzen wollen
  • unangepasstes, oft distanzloses Verhalten
  • Einhalten von Regeln und sozialen Normen fällt schwer
  • großes Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen (z. B. aggressiv, impulsiv, geringe Frustrationstoleranz, ausufernde Diskussionen/Selbstdarstellung) oder sozialer Rückzug (z. B. kontaktscheu, traurig, freudlos, still)
  • massive Probleme, sich in Gruppen einzuordnen und Kompromisse einzugehen
  • Probleme beim Annehmen und Umsetzen konstruktiver Kritik, Suche der Schuld bei anderen
  • unangemessener Umgangston, explosive / aggressive Reaktion bei Misserfolg/Kritik
  • Überspielen von Ängsten, Selbstwertproblemen durch Clownereien, Aggression, Demonstration übertriebener Stärke, verherrlichende Selbstdarstellung
  • rücksichts- / reueloses Verhalten
  • altersinadäquates Verhaltensrepertoire (z. B. Weinen bei geringfügigen Schwierigkeiten, Davonlaufen bei Problemen)

 

 

Exkurs: Abgrenzung zu psychiatrischen Erkrankungen

 

Psychiatrische Erkrankungen von Schülerinnen und Schülern wie bspw.  Depressionen, Angst-, Zwangs-, Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen, Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline) oder Schizophrenien können, müssen aber nicht in der Schule in Erscheinung treten.

Sie führen deshalb nicht zwangsläufig zu einem sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich esE.

Daher kann eine psychiatrische Diagnose die Grundlage für einen besonderen schulischen Förderbedarf darstellen (Schnittmenge beider Bereiche), es gibt jedoch auch emotional-soziale Entwicklungsstörungen, denen keine medizinisch-psychiatrische Diagnose zu Grunde liegt.

Bei Unsicherheiten oder zur ersten Einschätzung und Symptomabklärung wenden Sie sich bitte an die/den Schulpsychologin/Schulpsychologen vor Ort oder die Staatlichen Schulberatungsstellen.

Falls auf Basis einer fachärztlichen Diagnose ein sonderpädagogischer Förderbedarf esE festgestellt wird, können die Lehrkräfte keine psychiatrisch-therapeutischen Aufgaben übernehmen. Stattdessen unterstützen sie die Schülerinnen und Schüler durch pädagogisch-didaktische Zuwendung.